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Runter vom Schaf, rauf auf den Rocken - Teil 2: Zupfen und Kämmen


Wir starten mit sortierter, gewaschener und trockener Wolle. Wie ich die Vliese aussuche und die Wolle wasche, könnt ihr in diesem Beitrag nachlesen.


Wollschläger

Im hohen und späten Mittelalter findet man vor allem im Süden Deutschlands Hinweise auf Wollschläger. Diese wandernden Arbeiter waren für das Waschen und Auflockern der Vliese mit einem Wollbogen, manchmal auch für das Kämmen und Krempeln der Wolle zuständig.

Man findet unterschiedliche Angaben, ob das Wolleschlagen vor oder nach dem Waschen stattgefunden hat (oder beides). Vor dem Waschen kann es mit der groben Sortierung einhergehen, Dreck grob herausschlagen und verklebte Locken fluffen, damit das Wasser und Waschmittel gut wirken kann. Nach dem Waschen funktioniert das Herausschlagen kleiner Pflanzenteile besser, da die Wolle nun nicht mehr ganz so klebrig ist. Die Wolle muss nochmal aufgelockert werden, um sie kämmen zu können.


Zupfen und kämmen

Das Wolleschlagen ist sicherlich für große Mengen Rohwolle, wie nach der Schur einer ganzen Herde sinnvoll. Für die kleineren Mengen, die ich für den Hausgebrauch verarbeite, reicht es die Wolle nach dem Waschen zu zupfen. Das Zupfen hat den Sinn, Pflanzenteile auszusortieren und kompakte Lockenbündel auseinander zu ziehen. Dafür nehme ich mir eine Handvoll Wolle und fächere die Fasern auf. Dabei legt man am besten ein Leinentuch über den Schoß, da es ziemlich krümelig werden kann. Wie gründlich gezupft wird, ist eine Frage der Nachbearbeitung. Gründlich gezupfte Wolle kann direkt aus der Flocke gesponnen werden, dafür sollten aber ein Großteil des Einstreus herausgesammelt werden. Wird die Wolle anschließend gekämmt, ist es nicht ganz so wichtig alles an Pflanzenstücken zu entfernen, da der Rest in den Kämmen hängen bleibt.



Kämmen

Wie der fertige Faden und damit auch das fertige Gewebe aussieht, ist eine Frage der Vorarbeit. Der Faden, der aus gezupfter Wolle entsteht, wird nie so glatt und gleichmäßig, wie Gesponnenes aus gekämmter Wolle. Die Aufbereitung der Wollfaser mit Kämmen ist ab der Eisenzeit nachweisbar. Die Fäden weisen ab dieser Zeit eine weitaus größere Homogenität auf, sind glatter und stabiler als die Fäden der Bronzezeit.[1] Das Kämmen ist auch hilfreich, wenn die Fasern auf einen Rocken gebunden werden sollen, da dafür eine gleichmäßige Ausrichtung erforderlich ist.


Schritt 1: Um die Wolle auf den Wollkamm zu bekommen, nehme ich diesen in die Linke Hand und lege ihn auf dem Oberschenkel ab. Eine gute Handvoll gründlich gezupfter Wolle kommt in die rechte. Nun wird die Wolle von den Spitzen her über den Kamm gezogen, dabei verhaken sich einige Wollfasern in den Zinken und bleiben hängen. Das wird sooft wiederholt, bis genügend Wolle auf dem Kamm ist (der Kamm sollte etwa 2/3 bis maximal ¾ gefüllt sein).



Schritt 2: Nun werden die Kämme so in den Händen gehalten, dass die Zinken zueinander schauen. Mit dem noch leeren Kamm in der rechten Hand wird die Wolle von den Spitzen her ausgekämmt. Dabei verfangen sich immer mehr Fasern in den Zinken des rechten Kamms. Hier muss man unbedingt aufpassen, dass die Haarspitzen nicht umknicken! Das heißt, die Wolle muss ganz durch die Zinken gezogen werden und beim Ansetzen des Kamms dürfen sie sich nicht Umbiegen.

Auf diese Weise wird nun von den Spitzen bis zu den Zinken gekämmt, etwa, wie man es bei langem Haar tun würde. Beim Kämmen wird man feststellen, dass sich die kurzen Fasern (hier sehr gut zu sehen, da dunkelrot) und übrig gebliebene Pflanzenteilchen in den Zinken der Kämme verfangen und die vorstehende Wolle schön gleichmäßig und sauber wird.




Schritt 3: Um die kurzen Fasern von den langen zu trennen, werden nun die langen Fasern auf den rechten Kamm übertragen. Dafür dreht man den Kamm der rechten Hand so, dass die Zinken nach vorn, also von einem wegschauen. Die Zinken des linken Kamms zeigen weiterhin nach oben. Nun wird wieder von den Spitzen zu den Zinken hin gekämmt und man wird feststellen, dass sich die langen Fasern auf den rechten Kamm übertragen, während die kurzen Fasern in den Zinken des linken Kamms hängen bleiben. Hierbei sollte man den rechten Kamm etwas schräg nach unten führen, um nicht versehentlich die Fasern vom linken Kamm abzuheben. Sind genügend lange Fasern übertragen, wird der Rest mit Pflanzenteilen und kurzen Fasern vom linken Kamm entfernt und beiseitegelegt. Keine Sorge, wenn sich noch viele lange Fasern in der aussortierten Wolle befinden. Diese kämme ich noch ein zweites und oft auch ein drittes Mal, bis wirklich nur noch sehr kurze Fasern übrigbleiben.




Der rechte Kamm wird nun in die linke Hand genommen und Schritt 2 und 3 wiederholt. Die Wolle, die nun auf den Zinken bleibt, sollte bereits sehr sauber sein, keine Pflanzenstücke und nur sehr wenig kurze Fasern enthalten. Wenn man mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden ist, können die Fasern wie beschrieben auch noch ein weiteres Mal gekämmt werden.


Schritt 4: Um die sauberen langen Fasern vom Kamm zu bekommen, wird ein Kammzug gemacht. Dafür brauchen wir keine Diz oder sonstiges Werkzeug. Kammzug heißt nur, dass die Fasern nicht einfach abhoben werden, sondern von den Zinken gezogen werden, da sonst der Kleinkram, der sich noch in den Zinken befindet, mit in die saubere Wolle gerät. Der Kamm mit den Fasern wird fest in die linke Hand genommen. Die rechte zieht langsam und mit etwas Kraft die langen Fasern von den Spitzen her von den Zinken, ohne dabei die Wolle vom Kamm zu heben. Wer etwas vorsichtig arbeitet, schafft es die Wolle am Stück abzuziehen, ohne sie abzureißen. Das braucht etwas Fingerspitzengefühl und Übung.

Hier ist das Ergebnis: Feine, saubere lange Fasern, die alle gleich ausgerichtet sind. SpinnerInnen juckt es doch jetzt schon in den Fingern, oder? 😉



Hier seht ihr die gezupften und die ausgekämmten Fasern nach dem ersten und zweiten Durchgang. Ihr könnt durchaus versuchen, die kurzen Fasern zu verspinnen. Bei manchen Schafrassen klappt das auch recht gut. Beim Fuchsschaf sind die kurzen Fasern voller Stichelhaare und das daraus gesponnene Garn nicht besonders schön. Ich benutze die Reste daher z.B. zum Füllen von Kissen oder als Zwischenschicht zwischen Blumenerde und Kiesfüllung in Blumentöpfen. Viel bleibt nach dem zweiten/dritten Kämmvorgang aber auch gar nicht übrig.




Im nächsten Beitrag wird es dann um das Aufbinden auf den Rocken und das Verspinnen unserer vorbereiteten Fasern gehen.


[1] Grömer, Karina: Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa: Geschichte des Handwerkes und der Kleidung vor den Römern, 2010, S. 72.


OWL-Karolinger

Handwerk und Alltag im Frühmittelalter

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