Heute back' ich, morgen brau' ich. Teil 2: Faex und fermentum
Hefe und Sauerteig – Diese Unterscheidung fällt uns heute leicht. Hefe ist das, was es im Moment nicht zu kaufen gibt 😉 ist im Normalfall aber als Trockenhefe beim Backbedarf oder als Frischhefewürfel im Kühlregal zu finden. Sauerteig kann man beim Bäcker als Ansatz erstehen, selbst züchten oder als Tütchen bei den Brotbackmischungen in Supermärkten finden. Während Hefe eher für milde oder süße Backwaren verwendet wird, ist Sauerteig eher für dunkle Brote oft mit hohem Roggenanteil angesagt. Diese klare Trennung gab es in den mittelalterlichen Quellen nicht und aus heutiger Sicht, könnte man sich durchaus darüber wundern.
René und Christine haben sich auf ihrem Blog ausführlich mit der Terminologie und Unterscheidung von Hefe und Sauerteig im Mittelalter beschäftigt. Den Beitrag könnt ihr hier lesen. An dieser Stelle möchte ich im praktischen Versuch anknüpfen und zeigen, dass eine solche Unterscheidung für das Brot backen gar nicht so einfach oder überhaupt zielführend ist.
Begriffsuche. Hefe und Sauerteig in frühmittelalterlichen Quellen
Den Begriff für Hefe, faex kannte man für die Wein- oder Bierherstellung. Das zeigt uns ein Blick in die Vulgata (die auf den Kirchenvater Hieronymus zurückgehende lateinische Bibelübersetzung setzte sich ab dem 8.-9. Jh. unter Karl dem Großen durch). In mehreren Kapiteln ist von Hefen die Rede, immer in Verbindung mit Wein, bzw. als den Bodensatz.
Jeremia 48,11
11Moab ist von seiner Jugend an ungestört gewesen und auf seinen Hefen still gelegen und ist nie aus einem Fass ins andre gegossen und ist nie in die Gefangenschaft gezogen; darum ist sein Geschmack ihm geblieben und sein Geruch nicht verändert worden. (Lutherbibel 1984)
11 fertilis fuit Moab ab adulescentia sua et requievit in fecibus suis nec transfusus est de vase in vas et in transmigrationem non abiit idcirco permansit gustus eius in eo et odor eius non est inmutatus (Biblia sacra vulgata)
Derweil die Abschnitte, die die Vulgata zu gegorenem Brot enthält, ausschließlich über fermentum sprechen.
z.B. Das Dankopfer 3Mos 7, 13-14
13 Sie sollen aber solche Opfergabe darbringen nebst Kuchen von gesäuertem Brot zu ihrem Lob- und Dankopfer, 14 und zwar sollen sie je ein Teil als Opfergabe für den HERRN darbringen; es soll dem Priester gehören, der das Blut des Dankopfers sprengt. (Lutherbibel 1984)
13 panes quoque fermentatos cum hostia gratiarum quae immolatur pro pacificis 14 ex quibus unus pro primitiis offeretur Domino et erit sacerdotis qui fundet hostiae sanguinem (Biblia sacra vulgata)
Auch das „helle, gut gegangene Brot“ bei Anthimus ist ein panem nitidum bene fermentatum. (Der lateinische Volltext des EPISTULA ANTHIMI: http://www.accademiajr.it/bibvirt/anthimi.html)
In mittelalterlichen Quellen wurde für Backwaren nicht zwischen Hefe und Sauerteig unterschieden. Hefe als gesonderter Begriff taucht nur als Wein- oder Bierhefe auf. Warum ist das so?
Die Biologie des Sauerteiges – Backen und fermentum
Eine Mögliche Erklärung könnte die Zusammensetzung von Sauerteig geben. Dieser enthält nämlich, neben Michsäurebakterien, sehr wohl auch Hefen. Sie sind es, die Zucker in Alkohol und Kohlendioxid verwandeln, also den Fluff in das Brot bringen. Milchsäurebakterien dagegen produzieren nur geringe Mengen Kohlendioxid, verstoffwechseln dafür Zucker und Alkohol in Milchsäure und Essigsäure. Über die Temperatur und die Zusammensetzung kann man ziemlich gut regeln, wie sauer oder mild das Gebäck werden soll: Hefen mögen es warm. Bei Temperaturen um die 30°C vermehren sie sich besonders gut, die Milchsäurebakterien produzieren weniger Essigsäure, der Teig wird milder. Durch Zusatz von Zucker oder Honig kann man die Hefen noch zusätzlich anfüttern. Ein solcher süß und warm geführter Teig, am besten in mehreren Stufen (füttern, stehen lassen, wieder füttern usw.) wird sehr mild. Das Backergebnis kommt dem mit reiner Backhefe gebackenem recht nah. Auf diese Weise haben wir schon mit klassischem Sauerteig erfolgreich Rosinenzopf und Brötchen gebacken. Ganz ohne Säurenote. Die Übergänge vom sauren zum süßen Teig sind fließend.


Backen mit Hefe - faex
Im Mittelalter gab es noch keine industrielle, reine Backhefe. Allerdings kann auch mit dem aktiven Bodensatz von Bier oder jungem Wein gebacken werden. Diesen Versuch habe ich mit dem Bodensatz von unserem Brotbier gemacht. Dafür habe ich verschiedene Vorteige angesetzt, einmal honiggesüßt in hellem Mehl, einmal ohne Zuckerzusatz in Vollkornmehl. Bereits nach wenigen Stunden gab es ordentliches Geblubber in den Schüsseln. Der helle, süße Teig roch auch richtig hefig und leicht alkoholisch, ganz so wie auch Vorteig mit Frischhefe. Interessanterweise wurde der Vollkornteig sauer. Ohne Zuckerzusatz hatten die Milchsäurebakterien wieder leichtes Spiel, sich gegen die Hefen durchzusetzen und in großer Zahl im Teig anzusiedeln.

Fermentum und Faex. Zwei Ansätze, ein Ergebnis.
Fermentum beschreibt das Ergebnis der Backversuche mit Bierhefe und Sauerteig ganz gut: in allen Fällen erhielten wir fermentierten Teig, der mal mehr, mal weniger sauer und durch Kohlendioxid aufgelockert war. Dabei ist es egal, ob ein klassischer Sauerteigansatz oder Bierhefe als Grundlage hergenommen wurde. Wichtiger war die Art der Führung, also die Gehtemperatur und der Zusatz von Zucker. Die Backergebnisse mit mittelalterlichen Mitteln und ohne industriell hergestellte Hefen sind fließend von Hefe zu Sauerteig, es ist deshalb gar nicht sinnvoll, zwischen beiden zu unterscheiden.
Heute Back ich, morgen Brau ich. Teil 1: Unser täglich Fladenbrot gib uns heute?
Digitalisat der Handschrift Msc.Med.1 (mit deutscher Übersetzung) der Staatsbibliothek Bamberg
Onlineversion der Biblia Sacra Vulgata und der Lutherbibel 1984